Jeff Koons hat mit seinen einzigartigen Werken die Kunstwelt jahrzehntelang geprägt und befindet sich nun auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Doch das ist für den Künstler noch lange kein Grund, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Denn die richtigen Strategien der Teamführung und Zusammenarbeit ermöglichen ihm, noch ehrgeizigere Projekte in Angriff nehmen zu können.
Hier gibt einer der erfolgreichsten Künstler aller Zeiten einen Einblick in die Kunst des Führens und verrät, wie eng Kreativität und Selbstvertrauen miteinander verbunden sind.
Jeff Koons versucht, mit seiner Arbeit Grenzen zu überschreiten. „Ich wünschte, ich könnte von mir behaupten, dass für mich keine Einschränkungen gelten. Aber natürlich ist das nicht der Fall, schließlich bin ich auch nur ein Mensch“, gesteht der Künstler. Aber das hält ihn nicht davon ab, es stets aufs Neue zu probieren. „Ich versuche immer, über meine bisherigen Grenzen hinauszugehen – so weit, wie es nur möglich ist.“
Dass er mit dieser Einstellung bisher sehr erfolgreich war, ist fast schon eine Untertreibung. Der 66-jährige Koons gilt seit Langem als einer der berühmtesten Künstler der Welt. Im fünften Jahrzehnt seiner Karriere („das Wort klingt in meinen Ohren immer noch komisch“) sind die Werke von Jeff Koons nach wie vor Publikumsmagneten in Museen auf der ganzen Welt. Außerdem erzielen sie auf Auktionen gewaltige Summen, darunter auch zwei Weltrekorde für das Werk eines lebenden Künstlers: 58,4 Millionen US-Dollar (49,1 Millionen Euro) für „Balloon Dog (Orange)“ im Jahr 2013 und noch einmal 91,1 Millionen US-Dollar (76,6 Millionen Euro) für „Rabbit“ im Jahr 2019.
Dank solcher Einnahmen kann Koons ein großes Atelier in New York mit etwa 50 Mitarbeitern unterhalten. Die Angestellten des Künstlers konzentrieren sich auf unterschiedliche Aufgaben, von digitalen Arbeiten über die Malerei bis hin zur Bildhauerei – eines haben sie jedoch alle gemeinsam: eine glühende Leidenschaft für die Kunst. „Und bei allem, was wir tun, lieben wir es, Grenzen zu überschreiten“, fügt Koons hinzu.
Wenn sich Jeff Koons nicht in New York aufhält, kann man ihn oft in Pennsylvania antreffen. In diesem US-Bundesstaat wurde er geboren und dort befindet sich auch Antiquity Stone, die Hightech-Steinmetzwerkstatt des Künstlers, in der zurzeit die Marmor- und Granitskulpturen der „Antiquity“-Serie hergestellt werden. In gewisser Weise schließt sich damit ein Kreis: Als Kind besuchte Koons häufig das nahe gelegene Philadelphia und betrachtete staunend die elf Meter hohe Statue des Stadtgründers William Penn auf der Spitze des Rathausdachs.
Koons sagt, dass er Glück gehabt habe, dass er in einer Mittelschichtfamilie aufgewachsen ist und dass seine Eltern seine künstlerischen Interessen förderten. „Schon mit vier Jahren haben mir meine Eltern vermittelt, dass ich etwas Besonderes tue. Seitdem gibt mir die Kunst mein Selbstgefühl und bestimmt meine Identität.“ Koons nahm zunächst privaten Kunstunterricht und besuchte dann die Kunstschulen in Baltimore und Chicago. Schließlich zog er nach New York. Die besondere Energie dieser Metropole faszinierte ihn und gab ihm das Gefühl, „Teil meiner Generation zu sein“.
Koons Weg in die Kunstwelt war dabei alles andere als konventionell. Zunächst arbeitete er mehrere Jahre als Börsenmakler, um die finanzielle Freiheit zu haben, eine Kunst zu schaffen, die genau seinen eigenen Vorstellungen entsprach. Die Abende und Wochenenden verbrachte er in seiner Einzimmerwohnung, wo er Kunstwerke aus leuchtend bunten Ballons und Staubsaugern kreierte. Außerdem nahm er für andere Arbeiten physikalische Experimente vor. „Am Anfang wollte ich einfach jede Gelegenheit nutzen und dabei so viel wie nur möglich herausholen.“
Da Koons mit unterschiedlichen Materialien und Fertigungsprozessen arbeiten wollte, entschloss er sich schließlich, mit anderen Leuten zu kooperieren, um seine Ideen zu verwirklichen. „Mir wurde dabei klar, dass es mir mehr Spaß macht, zusammen mit anderen Menschen zu arbeiten, als den ganzen Tag alleine zu Hause zu sitzen. Ich bin einfach gerne unter Leuten.“
Vom einsamen Schaffen wandelte sich Jeff Koons’ künstlerische Arbeit zu Produktionen, die Teamwork erforderten. Nach seinen großen Erfolgen gründete er ein Studio und versammelte ein leidenschaftliches Team, um seine einzigartigen und atemberaubenden Kunstwerke zu produzieren. Zeitweise beschäftigte er in seinem Atelier über 100 Mitarbeiter.
Das wichtigste Anliegen für Koons war immer die Umsetzung seiner kreativen Ideen. Aber eine Änderung seiner Arbeitsweise ermöglichte es ihm, sich auch auf einem neuen Feld auszuprobieren – in der Kunst des Führens. Koons sieht darin einen interessanten Gegensatz: Kunst zu schaffen, erfordere Radikalität, aber zugleich sei die Kunst auch die Grundlage für alles Wichtige im Leben. „In der Avantgarde gibt es keine Regeln.“ Aber zugleich, glaubt Koons, vermittele die Kunst, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. „Als Teamführer greife ich auf meine Erfahrung als Künstler zurück – wie man mit Menschen kommuniziert, einen Sinn in seinem Leben findet und anderen hilft, ebenfalls Sinn in ihrem eigenen Leben zu finden und sich der Welt zu öffnen.“ Alle Kunstwerke von Koons basieren auf seinen eigenen Ideen. „Im Laufe der Jahre hatte ich viel Zeit, darüber nachzudenken, wie man als Künstler kreativ sein kann“, erzählt er.
„Wo bekommt man seine Ideen her? Woher stammt die Inspiration? Ich bin dabei zu dem Schluss gelangt, dass der einzige Weg ist, Vertrauen in sich selbst zu haben und seinen Interessen zu folgen.“ Dabei mag es überraschen, dass in der Kunst die Inspiration oft einfach aus der Beobachtung des Alltäglichen entsteht. Viele der Objekte in Koons’ Kunst sind, wie er es nennt, bereits „vorgefertigt“. Oft handelt es sich dabei um Gegenstände aus unserem Alltag, wie Spielzeug, Tiere, Blumen oder Comicfiguren, die er dann in einem neuen, künstlerischen Kontext präsentiert.
Oder auch um Autos. Koons ist einer von vielen namhaften Künstlern, die zusammen am BMW Art Car-Projekt gearbeitet haben (➜ Lesen Sie auch: Die Geschichte der legendären BMW Art Cars). Es war schon immer sein Wunsch gewesen, Teil eines Kunstprojekts zu sein, zu dem bereits Größen wie Alexander Calder, Roy Lichtenstein, Andy Warhol oder Frank Stella beigetragen hatten. 2010 wurde der BMW von Jeff Koons, ein BMW M3 GT2, am Centre Georges Pompidou in Paris enthüllt. Die langen farbigen Streifen auf der Karosserie beschreibt Koons als ein Einfangen des Gefühls der Beschleunigung. „Ich habe mir Energie in verschiedenen Formen angeschaut, von Quasaren und explodierenden Sternen bis hin zu Lichtspuren. Alles, was den Eindruck von Explosion und Geschwindigkeit vermittelt.“
Auch wenn Koons bei seinen Kunstwerken von der Idee bis zur letztendlichen Umsetzung alles selbst entwickelt, so gibt er er dennoch zu, dass die Beiträge seines Teams für ihn unverzichtbar seien. „Meine Mitarbeiter helfen mir bei den unterschiedlichen Fertigungsprozessen, um meine Ideen zu verwirklichen. Wir alle versuchen dabei, die Verfahren zu verbessern und Neues auszuprobieren, damit wir so schnell und effizient wie möglich arbeiten können.“ Als Chef des Studios versucht Koons, mit gutem Beispiel voranzugehen und zu zeigen, „dass wir es schaffen können“. Einige seiner Mitarbeiter sind schon seit über 25 Jahren für ihn tätig. Sie sind mit Begeisterung dabei, neue Entdeckungen zu machen und Ideen umzusetzen. „Als Team versuchen wir nichts Unmögliches. Wir möchten stattdessen Werke schaffen, die die Betrachter beeindrucken und in Erstaunen versetzen. Dieses Gefühl sollen sie auf ihr eigenes Leben und seine Möglichkeiten übertragen. Ich bin überzeugt, dass ich mit der Hilfe meiner Mitarbeiter meine Kunst immer weiter verbessern kann.“
Koons wird manchmal als Perfektionist betitelt – eine Bezeichnung, die er zurückweist, da er selbst nicht an Perfektion glaubt. Er vergleicht das Bemühen, perfekt zu sein, mit einem Hund, der seinem eigenen Schwanz hinterherjagt. Ein ewiges Bemühen, das unweigerlich in Enttäuschung enden muss. Das bedeutet jedoch nicht, dass er keine hohen Ansprüche hat. Koons ist fest davon überzeugt, dass man stets sein Bestes geben muss, selbst wenn man dabei letztendlich an Grenzen stößt. Deswegen versucht er, auch bei seiner Arbeit immer bis ans Äußerste zu gehen – soweit dies nur möglich ist. „Man hat nur einen Versuch. Wenn du Kunst schaffst, bleibt sie für immer so, wie du sie fertiggestellt hast. Also versuche ich immer, die Dinge auf die Spitze zu treiben. Aber an einem bestimmten Punkt muss ich die Dinge einfach so lassen, wie sie sind.“
Fotos: CNN/BMW; Autor: Geoff Poulton