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Seit über zehn Jahren entwirft Künstler:in Nikita Gale Werke, die weltweit für Begeisterung sorgen. Dazu gehört die Soundinstallation „DRRRUMMERRRRRR“, bei der Wasser und Schlagzeug-Utensilien miteinander agieren, und die zuletzt 2021 im Kunstraum Kreuzberg in Berlin, Deutschland zu sehen war. Oder auch die bewegende Lichtinstallation „PRIVATE DANCER“ von 2020, Gales erster Solo-Ausstellung im California African American Museum in Los Angeles, USA. Gale setzt immer wieder alltägliche Objekte in Szene. Der Eindruck, den Betrachter dabei erhalten, ist stets neu (➜ Lesen Sie auch: Rafael Lozano-Hemmer auf der Art Basel).
Für die Initiative BMW Open Work by Frieze hat sich Gale nun auf den BMW i7 und E-Gitarren fokussiert. „63/22“ heißt das mit BMW i7 Designern gemeinsam entwickelte Projekt und ist auf der diesjährigen Kunstmesse Frieze in London (12. bis 16. Oktober) erstmals zu sehen. Doch lassen wir Gale selbst erzählen.
Nikita Gale
Nikita Gale wurde 1983 in Alaska geboren. Als kleines Kind siedelt Gale mit der Familie nach Atlanta, USA über. Die Mutter ist Musiklehrerin, Gale kommt so schnell mit Tönen in Kontakt und lernt später verschiedene Instrumente zu spielen. Mit Anfang zwanzig fotografiert Gale dann bei Konzerten und vertieft sich während der Collegezeit in den Bereichen Fotografie, Videografie, Bildhauerei und Malerei. Schließlich macht Gale verschiedene Abschlüsse im Kunstbereich und einen Bachelor in Anthropologie. Es folgen Preise, Stipendien, zahlreiche Ausstellungen und Projekte. Das neueste Werk „63/22“ ist bei der Kunstmesse Frieze 2022 in London vom 12. bis 16. Oktober zu sehen.
Ein Elektrofahrzeug und fünf E-Gitarren – Nikita Gale, wie kamen Sie auf die Idee, diese doch unterschiedlichen Objekte zusammenzubringen?
Ich erfuhr während meiner Collegezeit, dass in den späten Fünfzigern und frühen Sechzigern die Gitarrenfirma Gibson den amerikanischen Automobildesigner Raymond „Ray“ Dietrich anheuerte, um das zu entwerfen, was zu einem der kultigsten E-Gitarrenkörper überhaupt wurde: die Gibson Firebird! Die Überschneidung dieser beiden zukunftsorientierten Industrien hat mich beeindruckt. Die Gitarrenindustrie ließ sich vom Ethos und der Haltung der Autokultur inspirieren – Individualismus wie Freiheit, Ideen rund um das Genre des Rock and Roll, flossen mit ein. Dadurch verwischten sich die Grenzen zwischen der Technologie des Klangs, der Geschwindigkeit und der Bewegung – und die beiden Formen begannen, sich gegenseitig visuell widerzuspiegeln. Zugleich war es der Start der Massenproduktion von E-Gitarren und der Beginn der Entwicklung des Rock'n'Roll zu einer eigenständigen Musikrichtung. Aber es war auch eine Zeit, in der es in den USA eine Menge sozialer und politischer Umwälzungen gab. Viele rassistische Spannungen entstanden, besonders in der Musikindustrie. Der Rock'n'Roll funktionierte dabei als Kanal für die Selbstdarstellung von Schwarzen und hatte eine kodierte Sprache, in der Autos explizit als Metapher verwendet wurden. Einer der ersten Rock'n'Roll-Songs ist „Rocket 88“ von Ike Turner, der zugleich der Name eines damals sehr beliebten Automodells ist.
Für Ihre Installation haben Sie sich mit drei BMW i7 Designern zusammengetan. Wie sah die Zusammenarbeit genau aus?
Das Team bestand aus je einem Designer für Interior, einem für Exterieur und einem für die My Modes. Letzteres ist ein besonderes Programm, das in Fahrzeugen mit BMW iDrive und Operating System 8 installiert ist. Mit diesem kann man Klang, Licht und andere Features für eine individuelle Wohlfühlstimmung steuern. Ich bat jeden der Designer, drei bis vier Gitarrenskizzen zu erstellen. Sie sollten ihre wildesten Fantasien zeigen, aber gleichzeitig auch überlegen, wie sie die Designgeschichte der E-Gitarre weiterentwickeln könnten. Denn die Gitarrenform ist in den letzten 60 Jahren mehr oder weniger gleichgeblieben. Ich denke, die letzten großen Neuerungen waren wahrscheinlich der versetzte, nicht symmetrische E-Gitarren-Korpus und die „Music Man St. Vincent“ von Musikerin Annie Clark – eine E-Gitarre speziell für Menschen mit Brüsten.
Was interessiert Sie an der Neugestaltung des Gitarrendesigns?
Mich fasziniert die Frage, warum bestimmte Objekte aussehen, wie sie aussehen. Es gibt diesen großartigen Essay von LeRoi Jones (Amiri Baraka) aus den siebziger Jahren mit dem Titel „Technology and Ethos“, in dem es heißt, dass nichts so aussehen oder klingen muss, wie es ist. Aber wie sieht es dann aus? Wie können etwa diese Gitarren mit anderen Werten und Geschmäckern entworfen werden?
Wie ging es weiter mit Open Work by Frieze?
Wir haben uns getroffen, die wirklich tollen Entwürfe der Designer angesehen und sie weiter nach London zu Ian Malone gereicht, einem großartigen Gitarrenbauer. Von BMW haben wir zusätzliche Materialien vom BMW i7 erhalten. Dazu gehören beispielsweise Lackfarben, mit denen wir experimentieren konnten. Am Ende sind alle E-Gitarren sehr unterschiedlich geworden. Bei der Ausstellung werden die E-Gitarren übrigens live gespielt.
BMW Open Work by Frieze
„Gemeinsam mit unserem Partner Frieze Art Fair haben wir 2017 BMW Open Work ins Leben gerufen. Unsere Vision ist, Co-Kreation zwischen Kunst, Innovation, Technologie und Design zu ermöglichen. Der Name 'BMW Open Work' ist von Umberto Ecos literarischem Werk 'Opera Aperta' inspiriert – es geht um die Bedeutung des Dialogs zwischen Menschen über verschiedene Disziplinen hinweg, und genau das ist der Antrieb der Initiative: inspirierende Gespräche zwischen aufstrebenden Künstlern und BMW Experten zu ermöglichen.
Der prämierte Künstler betrachtet aktuelle und zukünftige Technologien sowie Themen, die die Innovation bei BMW vorantreiben – wie Elektrifizierung, Kreislaufwirtschaft, Digitalisierung – als Werkzeuge für künstlerische Experimente. Auf dieser Basis entstehen Kunstwerke, die sich über verschiedene Medien und Ausstellungsplattformen entfalten. Jedes Jahr wird ein Kunstwerk auf der Frieze London uraufgeführt und sowohl in der BMW Lounge als auch digital präsentiert.“
Hedwig Solis Weinstein
Head of BMW Arts & Thought Leadership Collaborations
Wird die dabei entstehende Musik dann im mit ausgestellten BMW i7 zu hören sein?
Ja, wir verwandeln den BMW i7 im Grunde in einen Verstärker. Wir benutzen die Bluetooth-Technologie von My Modes, um die Gitarrenmusik laut abzuspielen. Die E-Gitarren aktivieren die Technologie, diese verstärkt den Klang und setzt unter anderem das Licht im BMW i7 in Bewegung. Während der Messe können die Besucher dann ebenfalls im Fahrzeug sitzen. Das ist das großartige an Elektroautos: sie lassen sich überall platzieren, denn man muss sich nicht um mögliche Abgase sorgen. Das habe ich auch erst kürzlich bei einer Autoshow in Los Angeles wieder festgestellt.
Bei solchen Autoshows hat man automatisch die Geräusche von wummernden Motoren im Kopf. Jene haben dort aber vermutlich gefehlt?
Exakt! Wissen Sie, das ist etwas, das mich wirklich fasziniert! Es ist eine unglaublich spannende Zeit für den Sound von Elektrofahrzeugen, denn die Autohersteller sind sehr experimentierfreudig geworden. Bis diese Fahrzeuge in die Massenproduktion gingen, war der Klang eines Automobils nur eine Folge seines inneren Mechanismus. Das Geräusch ist das des Autos. Aber jetzt könnte jener Klang alles sein. Das müssten wir aber zunächst weltweit lernen – für was eben dieser Klang steht und für was nicht. Ein neuer Sound für einen Auspuff muss also mehr oder weniger zu einem Industriestandard werden.
Diese Aufgabe klingt so herausfordernd wie das innovativ und kreativ bleiben in der heutigen Zeit. Wie gelingt Ihnen das?
Eine Regel der Kunst ist, den Leuten zu helfen, sich vorzustellen, wie die Dinge anders aussehen könnten. Ich liebe beispielsweise die Science-Fiction-Romane des britischen Autors J. G. Ballard. In vielen seiner Werke thematisiert er, wie aktuelle Gegebenheiten sich für die Zukunft entwickeln könnten, wenn sie in einem extremen Ausmaß fortbestehen. Und gerade für Unternehmen, die wie BMW Vorreiter technologischer Innovationen sind, ist es sehr wichtig, sich mit kreativen Industrien und Leuten auszutauschen. Dazu gehören Projekte wie BMW Open Work by Frieze, bei dem ich als Artist versuche, Dinge in den Raum zu stellen, über die man sowohl nachdenken als auch spekulieren kann. Für was in diesem Fall der BMW i7 und die E-Gitarren stehen könnten und wie man mit ihnen interagiert.
Was reizt Sie eigentlich an Automobilen?
Ich habe mich schon immer für Autos interessiert. Als ich ein Kind war, hatte mein Vater diesen wirklich coolen marineblauen Nissan Datsun 280ZXT. Irgendwann habe ich dann darüber nachgedacht, wie die Beziehung zwischen dem Körper und dem Fahrzeug ist, dem Objekt, der Technologie. Das Auto ist so allgegenwärtig, dass es sich fast unsichtbar anfühlt. Es ist einfach immer da.
THIS IS FORWARDISM
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie THIS IS FORWARDISM. Das sind Geschichten für und über all diejenigen, die die Zukunft bewusst gestalten möchten. Für all diejenigen, die an morgen denken und unermüdlich nach mehr streben. Eine Bereicherung nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Menschen um sie herum. Für diejenigen, die Fortschrittlichkeit als ihren natürlichen Zustand betrachten. Forwardism ist die Freude, die Zukunft zu sehen und zu fühlen, bevor sie erschaffen wird, und Konventionen stetig herauszufordern, um die bestmöglichen Erfahrungen im Leben zu machen. Denn nur wer die Konventionen von heute in Frage stellt, kann auch zukünftig ein Gefühl von anhaltender Freude erleben.
Author: Nadja Dilger; Art: Shin Miura, Lucas Lemuth; Photos: Alex Ingram, Robert Low, Ian Malone, Nihad Nino Pušija, BMW Design, Frieze, Shingi Rice