Präzise Navigation
„Das Sehen hat seine Grenzen, auch wenn es unser wichtigster Sinn ist“, sagt Sanjay Sood. „Das darf aber für autonome Fahrzeuge nicht gelten. Sie werden durch Gebäude hindurch, um Ecken herum und 20 Meilen voraussehen müssen, um sicher manövrieren zu können.“ Dabei helfen digitale Straßenkarten. Sanjay Sood leitet die Abteilung für hochautomatisiertes Fahren bei der Firma Here. Das Unternehmen stellt digitale Straßenkarten her, die um ein Vielfaches genauer sind als die heute noch für die Navigation üblichen.


Damit die Vision von selbstfahrenden Automobilen Realität werden kann, müssen diese die Straßen kennen, und zwar auch jenseits der Reichweite ihrer Sensoren.
Leiter der Abteilung hochautomatisiertes Fahren bei HERE
Billionen Pixel
Die neuen HD-Karten zeigen eine Fülle von Informationen, nicht nur Straßen und Routen. In ihren vielen Billionen Pixeln ist die Umgebung sozusagen vollständig enthalten: von Bäumen am Wegesrand bis hin zu Details im Zentimeterbereich wie sogar die Höhe der Bordsteine. All das wird dreidimensional erfasst und dargestellt.
Das Rohmaterial für die Karte liefert keine Kamera, sondern ein Lidar (Light Detection and Ranging). Ein hochempfindlicher Laserscanner, montiert auf das Dach eines Messfahrzeugs, sendet in hoher Frequenz Lichtpulse aus. Diese werden von Objekten reflektiert und kehren zum Sensor zurück, welcher damit die Entfernung jedes einzelnen Punktes messen kann. Eine Technologie, die beispielsweise die NASA nutzte um den Mond exakt zu vermessen.
Erfahren Sie mehr über Chancen und Herausforderungen des autonomen Fahrens in unserem kostenlosen E-Book des Experten Matthias Hartwig vom Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM).
Wie sieht ein automatisiertes Fahrzeug?

Wie sieht ein automatisiertes Fahrzeug?
Optische Kameras
liefern Informationen über Umgebung und Verkehrsteilnehmer, aber erkennen auch Schilder und Ampeln.
Radar und Ultraschall
messen Abstände zu anderen Verkehrsteilnehmern und Objekten der Umgebung.
Lidar
(für Light Detection and Ranging) ist ein Laserscanner, der ein 3-D-Bild der Umgebung erstellt. Lidar funktioniert auch bei Dunkelheit, ebenso bei blendendem Licht.
HD-Karten
arbeiten wie ein vierter Sensor, mit welchem die Daten aus den ersten drei Technologien abgeglichen werden. Sie liefern dem Automobil alle vorab erfassten Informationen über die Umgebung, inklusive derer, die außerhalb der Sensorreichweite liegen.


Digitale Intelligenz
Sensoren können auch in Zukunft nicht alle Informationen über die Umgebung liefern: Es kann immer passieren, dass eine Fahrbahnmarkierung schwer zu sehen ist, dass ein Verkehrsschild verdeckt oder umgeknickt ist. In solchen Fällen hilft die Karte. Für Automobile und ihre Fahrer bedeuten die HD-Karten in erster Linie viel mehr Sicherheit: Jede Information ist doppelt vorhanden und ermöglicht ein vorausschauendes Fahren.
„Wir sehen die Karte insofern wie einen zusätzlichen Sensor“, sagt Klaus Büttner, der bei BMW die Abteilung für hochautomatisiertes Fahren leitet. Büttner ist bei BMW damit beschäftigt, die Fahrzeuge so intelligent zu machen, dass sie sich im automatisierten Modus in jeder Verkehrssituation richtig verhalten. „Wir arbeiten mit Reinforcement-Learning“, erklärt Büttner. „Das heißt, wir spielen dem Rechner möglichst viele Verkehrssituationen vor und geben ihm eine Bewertung. Er entwickelt mit der Zeit ein eigenes Verständnis, welche Fahrstrategien die besten sind. Er abstrahiert.“ Die Experten bei BMW sagen dazu: Der Algorithmus wird trainiert.

Riesige Fortschritte
Bereits jetzt regulieren Assistenzsysteme in Serienfahrzeugen wie der aktuellen BMW 5er Limousine je nach Verkehrslage die Geschwindigkeit, achten darauf, dass das Fahrzeug in der Spur bleibt, und helfen bei Manövern wie dem Spurwechsel. Der Fahrer behält dabei aber die Hände am Lenkrad. Er muss aufmerksam bleiben, bereit, die Kontrolle über das Fahrzeug wieder zu übernehmen.
2021 wird BMW ein Ausstattungspaket für hochautomatisiertes Fahren auf der Autobahn anbieten. Der Fahrer muss dann nur noch wach bleiben, um das Fahrzeug innerhalb kurzer Zeit wieder zu übernehmen, falls es ein Problem meldet. Theoretisch kann das hochautomatisierte Fahren auch blinde Menschen im Alltag unterstützen.
Die Entwicklung dieser künstlichen Intelligenz hat durch eine neue Generation von Sensoren und stetig wachsende Rechenleistung einen unheimlichen Fortschritt gemacht. Diese Sensoren gelten zudem als Keimzelle für den nächsten großen Schritt: die Echtzeit-Karte.


Crowdsourcing auf der Straße
Bereits 2018 stellt BMW die Weichen für solche Echtzeit-Karten. Dazu kooperieren die Münchener mit der israelischen IT-Firma Mobileye, die in der computergestützten Bilderkennung weltweit führend ist. Die Idee: Serienfahrzeuge von BMW liefern kamerabasiert Umgebungsinformationen in Echtzeit, die ständig zu einer aktualisierten digitalen Karte aggregiert werden. So sollen künftig mehr Sensoren an mehr Autos so viele Daten sammeln, dass das Material permanent auf Stand ist. Eine echtzeitfähige Karte.

Lenkräder wird es noch sehr lange geben.
Hauptabteilungsleiter Projekte automatisiertes Fahren
Klaus Büttner verweist angesichts der jüngsten Fortschritte aber auf einen ihm wichtigen Punkt: Ein Automobil sei auch in Zukunft nicht das Gleiche wie ein Rechner. Das Fahrzeug müsse eine robuste Maschine bleiben, die auch ohne Connectivity absolut verlässlich und sicher ist.
Wird die Freude am Fahren also trotz aller technologischen Errungenschaften erhalten bleiben? Büttner: „Automobile werden uns auf Strecken unterstützen, auf die wir keinen Wert legen. Zuerst auf Autobahnen, später im städtischen Berufsverkehr. Doch Lenkräder wird es noch sehr lange geben.“