London, 1800: Die Stadt gehörte zu den 3 größten Städten der Welt und schaffte es, die Eine-Million-Einwohner-Marke zu knacken. Ein dichtes Netz von Eisenbahnlinien ermöglichte Pendlern aus der Umgebung, ihrer Arbeit im Zentrum nachzugehen – einst ländliche Gegenden verschmolzen dadurch mit dem Stadtkern. Doch im Zentrum verstopften bald Pferdekutschen, die als Transportmittel fungierten, die Straßen. Durch den Bau des ersten U-Bahn-Netzes der Welt im Jahre 1860 wollte die Stadt diese Herausforderung meistern. Nur 40 Jahre später war die Hauptstadt des British Empire mit circa 6,7 Millionen Einwohnern die mit Abstand größte Stadt der Welt.
Mittlerweile gibt es weltweit über 500 Millionenstädte. Einige Megacitys bringen es dabei auf mehr als 20 Millionen Einwohner (United Nations). Die Hälfte der Weltbevölkerung (United Nations) nutzt gerade einmal 2 Prozent der Erdoberfläche (Europäische Umweltagentur). Diese rund 4,2 Milliarden Menschen (United Nations) verbrauchen dabei 70 Prozent des weltweiten Energiebedarfs (IOPscience). Ein Netz von U-Bahnen reicht dabei schon heute kaum mehr aus, um den Lärm der Autokolonnen aufzuhalten und dem Verkehrskollaps entgegenzuwirken. Die gute Nachricht: Es gibt vielversprechende Trends und Lösungen für die urbane Mobilität von Morgen.
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Besucher von Oldtimermessen können beim Anblick der präsentierten polierten Karossen schnell in Nostalgie verfallen. Waren diese Fahrzeuge zu ihrer damaligen Zeit nicht gerade die umweltfreundlichste Art der Fortbewegung, arbeiten moderne Verbrennungsmotoren mittlerweile schon wesentlich schadstoffärmer. Für eine noch bessere Luftqualität kann zudem die leise, surrende Entwicklung der Elektromobilität einen entscheidenden Beitrag leisten (➜ Hybrid, Plug-in & Co. – der große Elektroauto-Vergleich).
Status quo in Europa: Die „Grachtenstromer“ als Vorbild
Innerhalb Europas ist Norwegen das wahrscheinlich bekannteste Vorbild in Sachen Elektromobilität. Aber auch die Niederlande, insbesondere Amsterdam, legen in diesem Bereich konsequent zu: Die urbane Mobilität wird immer stärker elektrifiziert und die Luftqualität als Resultat daraus verbessert.
Hierzu ein Beispiel: Wer sich in Amsterdam ein Elektrofahrzeug kauft, aber keinen eigenen Parkplatz mit Stromanschluss besitzt, für den errichtet die Stadt kostenlos eine öffentliche Ladesäule in der Nähe. Von 300 Ladesäulen im Jahr 2011 wuchs die Anzahl bis Mitte 2018 bereits auf 2.400. Für 2019 soll das dichteste Ladesäulennetz Europas sogar auf 4.000 Stromzapfstellen anschwellen. Außerdem gibt es für dienstlich genutzte Pkw eine Bezuschussung von bis zu 5.000 Euro; für Lkw sogar bis zu 40.000 Euro (Stand 05/2018). Ziel ist es, dass sich bis zum Jahr 2040 nur noch strombetriebene Fahrzeuge zwischen den Grachten bewegen.
Blick nach China: Das Reich der E-Mobilität
Initiativen wie „Amsterdam elektrisch“ zeigen, dass die Elektromotorisierung in Europa kein Schattendasein mehr fristet. Ohne Zweifel ist aber der chinesische Markt bei „New-Energy-Fahrzeugen“ schon weiter vorangeschritten. Etwa 60 Prozent aller weltweit neu zugelassenen und elektrisch angetriebenen Fahrzeuge sind in China angemeldet. Für rund 2,6 Millionen Fahrzeuge stehen dort 330.000 öffentliche Ladepunkte zur Verfügung.
E-Mobilität ist ein Kernpunkt der Staatsinitiative „Made in China 2025“. Bis zu diesem Jahr, so der Plan, sollen „New-Energy-Fahrzeuge“ 20 Prozent der Neuanmeldungen ausmachen. Konzerne, die mehr als 50.000 Autos im Jahr 2019 innerhalb der Landesgrenzen produzieren, müssen mindestens 10 Prozent ihrer Flotte als Autos dieser Art verkaufen. Dazu zählen Fahrzeuge mit Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb und Plug-In Hybridfahrzeuge.
Wasserstoff, Erdgas & Co.: Mit alternativen Antriebskonzepten in die Zukunft
Batteriebetriebene Fahrzeuge legen mittlerweile mehrere 100 Kilometer zurück und auch der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur schreitet immer schneller voran.
Neben Ideen zu Relaisstationen, an denen ein Batteriewechsel erfolgt, denken manche Unternehmen auch über eine weitere Antriebstechnologie nach, die Abhilfe schaffen soll: Brennstoffzellenfahrzeuge können ihren benötigten Wasserstoff in vergleichbaren Zeiten wie Benziner oder Diesel tanken. Anstelle einer Batterie kommt bei dieser Entwicklung also eine Brennstoffzelle zum Einsatz. Diese gewinnt Energie aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff. Doch Wasserstofftankstellen sucht man vielerorts noch vergebens.
Die urbane Mobilität der Zukunft soll elektrisch werden, das scheint aus Umwelt- und Gesundheitssicht klar. Aber eine reduzierte Schadstoffbelastung verbessert längst nicht den Verkehrsfluss innerhalb der verstopften Städte. Bis zu 40 Prozent des gesamten innerstädtischen Verkehrs entfällt auf die Parkplatzsuche. Teilen sich jedoch mehrere Personen ein Auto, beansprucht das entsprechend weniger Parkplätze und die urbane Mobilität verbessert sich. Carsharing lautet das dazugehörige Konzept, wobei man im Wesentlichen zwei Arten unterscheidet:
1. Stationäre Carsharing-Anbieter
Bei stationären Carsharing-Anbietern müssen Sie das Auto nach Mietende wieder an seinen festen Parkplatz zurückbringen.
2. Freefloater
Bei den sogenannten Freefloatern können Sie Ihr Fahrzeug in einem größeren, aber fest definierten Gebiet abstellen.
Näheres zu den verschiedenen Carsharing-Konzepten hält unser Shared Mobility Glossary für Sie bereit (➜ Die wichtigsten Begriffe der "Shared Mobility").
Während es Ende 2011 in Europa knapp 700.000 Carsharing-Nutzer gab, werden es Schätzungen zufolge 2020 etwa 15 Millionen sein. Auch Deutschland kann auf ein Wachstum zurückblicken: Für Anfang 2019 wurden circa 2,46 Millionen Carsharing-Kunden verzeichnet; 350.000 mehr als zu Anfang 2018.
Die zunehmende Beliebtheit des Carsharing-Mobilitätskonzeptes geht gerade bei jüngeren Bevölkerungsschichten mit einem veränderten Konsumverhalten einher. In der Sharing Economy steht nicht länger der Besitz, sondern die Dienstleistung im Vordergrund: Statt ein eigenes Auto zu haben, ist die Mobilität viel wichtiger. Und dieser Mobilitätswunsch kann sich zudem positiv auf die teilweise vollen Straßen und Parkplätze in den Städten auswirken: Unterschiedliche Studien erklären, dass allein ein Carsharing-Auto 8 bis 20 Privatfahrzeuge ersetzen kann. Beflügelt wird jener Mobility-on-Demand-Trend durch die Möglichkeiten der Digitalisierung. Auf Onlineplattformen können User per App die Verfügbarkeit und Standorte der Fahrzeuge ermitteln sowie diese buchen und meist auch öffnen.
Ride-Hailing
Während Carsharing zunehmend populärer wird, ist vor allem in den USA ein anderes Konzept ein beliebtes Mittel städtischer Mobilität: Ride-Hailing. Dabei können Sie per App eine private Mitfahrgelegenheit finden und buchen. Im Herbst 2018 gaben 36 Prozent amerikanischer Erwachsener an, schon einmal einen Ride-Hailing-Service genutzt zu haben.
Noch müssen Sie als Carsharing-Nutzer selbst den Weg zum Auto antreten. Doch in nicht allzu ferner Zukunft könnte Ihr Fahrzeug schon wie von Geisterhand gesteuert zu Ihnen fahren. Was nach Science-Fiction klingt, ist längst keine verschrobene Zukunftsvision mehr, sondern die klare Zielvorgabe in vielen Forschungs- und Entwicklungszentren (➜ Der Weg zum autonomen Fahren). Der Weg zum autonomen Fahren führt dabei über 5 Stufen, wobei die Stufen 1 und 2 gegenwärtig bei den meisten Fahrzeugen gegeben sind (➜ Die fünf Stufen bis zum autonomen Fahren).
Im nächsten Entwicklungsschritt geht es nun darum, die 3. Stufe nicht nur mit aktuell laufenden Probefahrzeugen zu erreichen, sondern das hochautomatisierte Fahren im Verkehr alltagstauglich zu machen und so die urbane Mobilität zu verbessern.
Autonomes Fahren führt zu einer neuen Infrastruktur
Mit den zukünftigen Planungen und Entwicklungen zum autonomen Fahren geht auch der Wandel der vorhandenen Infrastruktur einher, was die urbane Mobilität wiederum beeinflusst. Auf diesem Weg gibt es zwar viel Potenzial, aber auch noch einige Fragen zu beantworten:
- Weniger Parkraum und mehr Grünflächen für die Städte: Autos fahren selbstständig von Person zu Person und holen diese ab, um sie zu ihrem jeweiligen Ziel zu bringen. Dieses Szenario könnte nicht nur weniger Autos nötig machen, sondern auch die Zahl der Parkplätze reduzieren. So zumindest eine weit verbreitete Vorstellung, die nicht zuletzt auch auf mehr Grünflächen und eine verbesserte Luftqualität in den Städten hoffen lässt. Aber wie müssen Flächen für Parkplätze und -häuser bei einer solchen Vorstellung strukturiert sein? Welche Konsequenzen hat das für die Städteplanung?
- Stau könnte schon bald der Vergangenheit angehören: Car-to-X-Kommunikation verspricht eine effiziente Vernetzung von Autos, Verkehrsschildern und Ampeln. Mit dieser Technologie könnten Verkehrsteilnehmer so effizient gelenkt werden, dass es zu weit weniger Wartezeiten auf der Straße kommt. Doch gilt es auch dabei noch viele technische Fragen zu lösen, wie zum Beispiel: Müssen Straßenmarkierungen mit besonderen Sensoren ausgestattet werden, die den Fahrzeugen signalisieren, dass eine Lücke oder ähnliches frei ist?
- Eine sichere und stufenweise Umstellung: Der Wandel hin zum autonomen Fahren wird aller Voraussicht nach nicht plötzlich passieren. Dabei stellt sich die Frage, wie autonome und fahrergesteuerte Fahrzeuge im Verkehr koexistieren könnten. Werden für die Übergangszeit zwischen teilweise und vollständig autonomen Fahrzeugen sogar zwei Fahrspuren benötigt, um Missverständnisse zwischen den unterschiedlichen Entwicklungsstufen während der Fahrt zu vermeiden?
Zusammen mit dem Experten Matthias Hartwig, wissenschaftlicher Referent am Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM), ist zur Beantwortung all dieser Fragen das spannende E-Book „Autonomes Fahren“ entstanden. Möchten Sie mehr über die Herausforderungen einer Welt mit autonomen Fahrzeugen erfahren, dann können Sie sich das Buch einfach kostenlos herunterladen.
Eng verwoben mit dem autonomen Fahren ist die Car-to-X-Kommunikation. Vernetzte Automobile können sich in Echtzeit sowohl untereinander (Car-to-Car) als auch mit Gegenständen aus ihrer Umgebung (zum Beispiel mit Mobilgeräten bzw. -funknetzen: Car-to-Mobile) verbinden und miteinander kommunizieren. Autonom fahrend schließen sich die Fahrzeuge zu einer Kolonne zusammen und agieren wie ein einziges Gefährt. Das zeitgleiche Abbremsen und Beschleunigen optimiert dabei den Verkehrsfluss. Schon heute können einige Modelle mit anderen Fahrzeugen oder Gegenständen aus ihrer Umwelt interagieren. Sie warnen andere Verkehrsteilnehmer vor auftretenden Hindernissen wie Stauenden oder Blitzeis, sodass diese frühzeitig reagieren können. Je mehr Autos mit dieser Technologie ausgerüstet sind, desto mehr Unfälle lassen sich vermeiden – so zumindest die Idealvorstellung jenes Mobilitätskonzeptes. Dass dieses Szenario ein großes Potenzial für dichten Stadtverkehr birgt, erklärt sich von selbst.
Intelligenter Verkehr in Wuxi
Wer erleben will, was Car-to-X-Kommunikation für die urbane Mobilität bewirken kann, sollte unbedingt in das chinesische Wuxi reisen. Etwa 1,76 Millionen Fahrzeuge sind in der Metropole unterwegs, wobei Autos, Busse, Ampeln und Schilder miteinander kommunizieren. Fahrer erhalten eine Benachrichtigung, sobald sie zu schnell unterwegs sind, und ein Frühwarnsystem informiert vor aufkommenden Hindernissen. Ein ausgeklügeltes Ampelsystem analysiert und optimiert stetig den Verkehrsfluss und meldet dem Autofahrer auch die Länge der Grünphase. Plötzliches Abbremsen – eine weitere potenzielle Quelle für Staus – gehört demnach theoretisch der Vergangenheit an.
London hat es schon im 19. Jahrhundert festgestellt: Der öffentliche Personennahverkehr spielt für die städtische Mobilität eine herausragende Rolle, um die Straßen zu entlasten. Inzwischen stoßen U-Bahnen und Busse in den Metropolen der Welt jedoch an ihre Grenzen. Darum feiert aktuell ein Klassiker der urbanen Mobilität eine ungeahnte Renaissance: das Fahrrad. Bikesharing erobert die Straßen sämtlicher großen Metropolen und ermöglicht eine schnelle Fortbewegung auf engstem Raum. Ähnliches soll in Zukunft für E-Scooter gelten, die ebenfalls eine vereinfache Mobilität im urbanen Umfeld mit sich bringen (➜ E-Roller & Co.: Elektrische Micro Mobility für die letzte Meile). Und wie könnte sich nun der öffentliche Personennahverkehr zukünftig besser strukturieren?
Autonome E-Shuttle-Busse
Neben dem Sharing-Trend fließen natürlich auch Konzepte der Elektromobilität und des autonomen Fahrens in die Lösungen des Nahverkehrs ein. Allein in Europa gibt es mittlerweile 10 öffentliche Teststrecken für autonom fahrende E-Shuttle-Busse. Am Berliner Charité-Campus beispielsweise sitzt zwar noch eine Begleitperson im Bus, die Hindernisse umfährt und nach einem Halt die Fahrt wieder freigibt. Es ist allerdings absehbar, dass die Systeme immer intelligenter, sicherer und damit auch selbstständiger werden. Aktuell sind die Routen zudem noch relativ kurz und weisen keine großen Hürden auf. Doch zeigen die Pilotprojekte mit gemütlichen 15 km/h, wohin die Reise geht.
Drohnentaxis erobern den ÖPNV
Die Zukunft der urbanen Mobilität liegt in der Luft: Ist das eine gewagte These oder eine realistische Sicht auf die Zukunft? Angesichts der verstopften Stadtzentren scheint die Eroberung des Luftraumes eine logische Konsequenz. Bereits 2020 sollen Drohnentaxis in Dubai, Los Angeles, Dallas und Singapur den Probebetrieb aufnehmen. Die kommerzielle Nutzung steht ab 2023 auf dem Programm. Am Anfang sind noch Piloten für die Steuerung zuständig, doch der Wettlauf zur zukünftig ältesten autonom fliegenden Drohnentaxistadt der Welt hat schon begonnen.
Mit neuen Konzepten zur besseren urbanen Mobilität
London hat es im 19. Jahrhundert gezeigt und auch die gegenwärtigen Entwicklungen sowie Prognosen verdeutlichen es: Die Städte wachsen. Der Lebensraum jedes Einzelnen und die Möglichkeiten der Mobilität in diesem städtischen Umfeld müssen folglich effektiver gestaltet werden. Diese Tatsache ebnet den Weg für umfassende Konzepte zu alternativen Fahrzeugantrieben, zum autonomen Fahren und Carsharing.