Eine komplett neue Formensprache mit weniger und dafür präziseren Linien, eine größere Niere und ein edleres Interieur – der neue BMW X5 trägt viele neue Designelemente. Wer aber formt die Autos der Zukunft? Und welche Schritte sind dafür nötig?
Das Besondere bei BMW ist es, dass das Design der Fahrzeuge in einem internen Wettbewerb entsteht. Die BMW Designer treten mit ihren Design-Entwürfen gegeneinander an. Über mehrere Schleifen werden die besten Entwürfe ausgewählt, bis am Ende der Siegerentwurf in die Serienumsetzung übergeht.
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Insgesamt dauert der Designprozess bei BMW mehrere Jahre. Hier ist der gesamte Prozess in sieben Schritten erklärt:
Vorschau: Trends erkennen
Zunächst geht es darum, das spätere Automobil und den Kontext, in dem es sich bewegt, zu verstehen. Designer müssen weit vorausahnen, was in der Welt und Mobilität von morgen als zeitgemäß und hochmodern empfunden wird. Und wie sich die Bedürfnisse der BMW Kunden bis dahin verändert haben könnten.
Ihre Inspirationen holen sich die Designer aus verschiedensten Quellen: von Mode über Architektur aus aller Welt bis hin zur Natur. Aber auch die streng geheimen Fahrzeugprojekte und Concept Cars des Vorentwicklungsteams von BMW können Impulse geben.
Charakterfrage: Handskizzen
Mit Handskizzen beginnt der Wettbewerb. Dabei drücken die BMW Designer ihre Ideen zunächst in unzähligen handgezeichneten Skizzen aus.
„Mein erster Kontakt mit einem neuen Modell ist ein weißes Blatt Papier und ein Stift“, sagt Anders Thøgersen, Exterieur-Designer des BMW X5. „Du hast einen gewissen Spirit und Charakter im Kopf, den du dem Auto geben möchtest. Diese ersten Handskizzen beantworten nicht alle Fragen. Aber sie dienen als abstrakte Richtlinie für den weiteren Designprozess.“
Völlig freie Hand haben die BMW Designer jedoch nicht. Vielmehr müssen sie Vorgaben zum definierten Charakter des Fahrzeugs als auch technische Rahmenbedingungen befolgen wie etwa Radstand, Gepäckraum-Volumen oder Sicherheitsanforderungen.
Alle verfügbaren technischen Neuerungen sollen in einer Weise umgesetzt werden, die der spätere Nutzer als funktionell, sinnvoll und zugleich als optisch faszinierend wahrnimmt. „Ein BMW soll immer auf den ersten Blick zeigen, was man mit ihm erleben kann”, sagt Exterieur-Designer Anders Thøgersen.
Wir Designer arbeiten viel am Computer. Aber unsere wichtigsten Werkzeuge bleiben die Augen und Hände.
Präzision: Tape Drawings
Zusätzlich zu den Skizzen visualisieren die Designer ihre Fahrzeug-Entwürfe im Maßstab 1:1 an die Wand – mit sogenannten Tape Drawings. Dabei kleben sie mit flexiblen Tapes die Proportionen des Fahrzeugs auf Packagepläne. Packagepläne sind eine Art Landkarte des späteren Fahrzeugs mit allen technischen und baulichen Inhalten.
„Wenn du das Tape Drawing startest, siehst du das Auto gleich viel anschaulicher in deinem Kopf“, erklärt Exterieur-Designer Anders Thøgersen. „Was als Idee und Konzept in den Skizzen begann, bekommt nun eine konkrete Bedeutung.“
Beim Tape Drawing lässt sich mit wenigen, aber markanten Linien nicht nur der Charakter, sondern vor allem auch das reale Volumen erkennen. „Und wenn das Tape Drawing fertig ist, kann ich es kaum erwarten, das Design in einem 3D-Modell zu sehen“, sagt Thøgersen.
So liefern die Tape Drawings die Vorlage für die nächsten Schritte.
Was als Idee in den Skizzen begann, bekommt nun eine konkrete Bedeutung.
Virtuos virtuell: Digital-Modelle
Im Designprozess kommen jetzt digitale Technologien hinzu, die dem State of the Art entsprechen. Die Formgestalter CAS (Computer Aided Styling) entwerfen aus der zweidimensionalen Skizze ein dreidimensionales virtuelles Modell. Dabei nutzen sie unter anderem Virtual Reality.
Die digitale Brille erleichtert nicht zuletzt die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen. Denn die Designer, Formgestalter und Entwickler sind räumlich nicht mehr an ein Modell gebunden. Der geteilte Blick durch VR-Brillen genügt. Der Designprozess gewinnt so an Schnelligkeit und ermöglicht es zusätzlich einen Kontext zu schaffen – so kann das neue Modell in der jeweiligen Lebenswelt dargestellt werden.
Formgestaltung: Clay-Modelle
Waren die bisherigen Entwürfe zweidimensional, wird die Formfindung nun plastisch. Die Designer, die den Auswahlprozess für sich entschieden haben, erhalten die Chance, ihr Fahrzeug-Design dreidimensional im Maßstab 1:1 auszuarbeiten. Diese Modelle sind aus Clay gefertigt.
„Ein Clay-Modell ist unverzichtbar für die perfekte Ausarbeitung von Flächen, Linien und Details“, sagt Anders Thøgersen. „Das BMW Design wird nur in der Dreidimensionalität und Originalgröße erlebbar. Es ist für mich ein berauschender Moment, wenn du die Skizzen dann als Ganzheit vor dir siehst – wie ein Wesen, um das du herumgehen kannst.“
Steht das Clay-Modell, überziehen die Formgestalter es mit einer Spezialfolie, die eine Lackierung nachempfindet. Durch sie wird es möglich, Linien, Oberflächen und Proportionen eines Clay-Modells bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen zu beurteilen.
Es dauert ungefähr einen Monat, bis ein Modell den gewünschten Perfektionsgrad hat. Dann geht es in die nächste Entscheidungsrunde. So lange, bis der BMW Vorstand etwa zwei Jahre vor Produktionsstart des Fahrzeugs aus den letzten zwei Entwürfen den Sieger kürt.
Stichwort Clay
Clay ist ein Industrieton. Er wird erwärmt und kann dann bearbeitet werden. Ein Clay-Modell besteht aus einem Grundgerüst aus Holz und Metall, das mit Schaumstoff umgeben ist. Nur die oberste Schicht besteht aus Clay. Die Grobstruktur wird auf Basis der CAS-Daten vorgefräst, der Rest wird immer von Hand bis zur Perfektion geformt. Als Werkzeuge dienen Klingen, Spachtel, Schwämme und Bürsten.
Innenansicht: Das Interior-Design zeichnen
Zeitgleich mit den Exterieur-Designern zeichnen und verfeinern die Interieur-Designer ihre Modelle. Dabei gestalten sie ebenfalls mit Clay. Und in sogenannten Sitzkisten machen sie das gesamte Interieur erlebbar – von Sitzen und Details bis hin zu Oberflächen und Materialien.
Auch in diesem Prozess liefern VR-Brillen eine wichtige Unterstützung. Sie ermöglichen es zum Beispiel, sich in einem virtuellen Autoinnenraum umzusehen. So als würde man darin sitzen.
„Wir möchten den Kunden ein Ambiente bieten, das zugleich modern, einladend und funktional ist“, erklärt Eva Günther, Interieur-Designerin des BMW X5. „Ein Ambiente, in dem die Kunden sowohl die Freude am Fahren genießen können als auch entspannen oder arbeiten.“
Perfektionismus: Feinoptimierung
Das BMW Design hat ein eigenes Team für die Design-Details sowie für Farben und Materialien. Die Feinschliff-Profis perfektionieren sowohl im Exterieur als auch im Interieur des Fahrzeugs sämtliche Elemente bis in den Bereich von hundertstel Millimetern. In dieser Phase ist eine intensive Abstimmung zwischen Designern, Ingenieuren und Fertigungstechnikern besonders wichtig.
Von da an vergehen noch einige Jahre und Monate, bis der neue BMW X5 der Öffentlichkeit vorgestellt wird.
Weltweit gibt es drei BMW Designcenter: in München, Shanghai und Newbury Park (Kalifornien). Die Teams arbeiten länderübergreifend eng zusammen.