Ich will zur Verwandlung Südafrikas beitragen – in ein Land, das Kreativität und Kunst feiert.
Lukhanyo Mdingi zählt selbst zu den großartigsten Talenten des Landes. Aufgewachsen in einer der ärmsten Provinzen Südafrikas, wird der 24-Jährige heute vom Vogue-Modemagazin als „herausragendes Talent der südafrikanischen Modeszene“ gefeiert. Er führt uns durch die Kreativszene Kapstadts, die für die einzigartige Atmosphäre der Metropole steht – aber auch Debatten anstößt. An drei Hotspots der Stadt stellt Mdingi uns einige seiner Künstlerkollegen vor.
FreshlyGround trägt Südafrikas Sound in die Welt
Den Anfang macht Zolani Mahola. Als Leadsängerin der Band „Freshlyground“ liefert die 36-Jährige den unbeschwerten Soundtrack der Stadt, einen Mix aus Rock, Jazz und Afro-Pop. Ihre Musik kommt nicht nur in Südafrika gut an. Zusammen mit Shakira sang sie den „Waka-Waka-Song“ – die Hymne zur Fußball-WM 2010 wurde auf YouTube 1,7 Milliarden Mal angeklickt.
Mdingi trifft sich mit der Sängerin und ihrem Gitarristen Chris Bakalanga im „Chef’s Warehouse at Beau Constantia“ des irisch-stämmigen Starkochs Liam Tomlin. Es ist der perfekte Rahmen für ein Gipfeltreffen der Kreativen.
Man muss die Dinge geschehen lassen und nicht zu viel planen.
Zwei südafrikanische Künstler, ein Ziel
Mdingi und Mahola vereint der tiefe Wille, Südafrika in ein Land zu verwandeln, in dem Kunst und Kreativität gefeiert werden. Beide Biografien stehen für Talent und harte Arbeit, begleitet von dem unerschütterlichen Vertrauen, dass alles gut wird. So outete sich Mdingi schon als Jugendlicher als schwul, was in Kapstadts In-Vierteln kein Problem ist, in der konservativen Heimat dagegen sehr wohl.
Doch nicht in allem sind sich die beiden Künstler gleich: Mdingi investiert alle Einnahmen in seine weitere Karriere, zum Beispiel in einen Französisch-Kurs – um mit seiner Kollektion nach Paris zu kommen. Mahola sind solch durchgeplante Aktionen fremd, ihre Karriere begann eher schicksalhaft. Zwei Gitarristen sprachen sie 2002 an, es folgten gemeinsame Jam-Sessions, der kommerzielle Erfolg kam binnen eines Jahres. Heute ist „Freshlyground“ eine der wenigen Bands, die alle ethnischen Gruppen des Landes zusammenbringen.
Die Single „Black Girls“, die Mahola am Nachmittag auf der Terrasse des Restaurants anstimmt, ist eine herrlich lebensbejahende Hymne auf die selbstbewusste junge Generation in Südafrika. Auch wenn sie in andere Texte auch raueren Sound und Kritik legt, ist ihr die positive Kraft ihrer Songs wichtig, sagt Mahola: „Wir wollen Menschen miteinander verbinden.“
Tiny Empire gibt Kapstadts digitalen Nomaden ein Zuhause
Menschen miteinander verbinden – das scheint so etwas wie das Erfolgsrezept am Kap zu sein, das auch zwei der Pioniere des kulturellen Unternehmertums der Metropole antreibt. Justin Rhodes und Cameron Munro haben gemeinsam schon mehrere innovative Projekte verwirklicht. Eines davon ist das „Tiny Empire“, ein architektonisch spektakuläres Coworking-Konzept.
Im „Tiny Empire“, das vom talentierten Designer Marco Simal umgestaltet wurde, trifft Modedesigner Mdingi beim zweiten Stopp seiner Etappe einen der beiden Gründer. Justin Rhodes gibt direkt einen Einblick in die aufstrebende Entrepreneur-Szene der Stadt. „Kapstadt entwickelt sich zu einem Hub für Start-ups, wir wollten einen Ort schaffen, den digitale Nomaden ihr Zuhause nennen können“, erklärt Rhodes. Eine Idee, die den Zeitgeist trifft: Innerhalb kürzester Zeit waren die meisten Work Suites ausgebucht, die Nachfrage nach den Büroräumen ist enorm.
Man lernt, aus dem Vorhandenen das Beste herauszuholen.
Kapstadts stylischer CoWorking Space
Über die Schwierigkeiten ihrer Arbeit spricht Rhodes nur kurz. So sei vieles, was er und sein Geschäftspartner für die Verwirklichung ihrer Projekte benötigten, in den ersten Jahren nur schwer zu bekommen gewesen. „Aber es ist wichtig, auch Nachteile für sich zu nutzen“, erzählt der chronisch optimistische Unternehmer, „man lernt, aus dem Vorhandenen das Beste herauszuholen. Man beginnt klein, involviert die Community, und dann entsteht meistens Großartiges.“
Rhodes hält es für spannender, in einem Land mit einer relativ überschaubaren Kunstszene zu arbeiten. Klar, Paris ist aufregend, aber manchmal sei es für die Karriere besser, „groß im Kleinen zu sein“.
Wenn Rhodes einen Rat geben dürfe, dann den folgenden: „Geh nicht zu früh nach Europa.“
Zeitz MOCAA nutzt Kapstadts Bühne für moderne Kunst
Dass Kapstadt tatsächlich viel Raum für Kreativität bietet, wird bei Mdingis dritter Etappe deutlich: dem „Zeitz Museum of Contemporary Art Africa“, kurz „Zeitz MOCAA“. Als das erste große Museum für moderne Kunst in Afrika wirkt es wie ein Ausrufezeichen für die aufstrebende Kulturszene des Kontinents. Diese Wirkung entfaltet sich schon beim ersten Schritt in das Gebäude.
„Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn“, sagt Modemacher Mdingi, als er die kathedralenhafte Eingangshalle betritt. Vor ihm erstreckt sich das „BMW Atrium“ 30 Meter in die Höhe, ein von futuristischen Betonfassaden gerahmter Saal.
Seine nächste Gesprächspartnerin Künstlerin Thania Petersengrinst, als sie das fast kindliche Staunen ihres Gastes bemerkt: „Ziemlich cool, oder?“ Mdingis Blick haftet auf einer monströsen Drachen-Installation von Nicholas Hlobo, die schon auf der Biennale in Venedig gefeiert wurde und nun inmitten der von BMW gesponserten Architektur schwebt. „Kann man so sagen“, antwortet er.
Dieses Museum gibt uns die Plattform, über Dinge zu reden, die dringend diskutiert werden müssen.
Südafrikanische Kunst hat jetzt eine Bühne
Petersens Arbeit, mit der sie die Folgen der Apartheid aufarbeitet und die Entwurzelung gemischter Familien thematisiert, ist prominent platziert. Dutzende Male war die charismatische 38-Jährige schon hier, doch noch immer bewegt sie sich fast andächtig durch die Räume, wie in einem Traum.
Das Museum dient als eine Art Megafon für Künstler. Es steht für den kulturellen Aufschwung Kapstadts, der umso bemerkenswerter ist, wenn man bedenkt, dass Südafrika bis 1990 isoliert war.
Heute sind diese Barrieren verschwunden. Die Künstler in Afrika sind sogar politischer als in anderen Regionen. Statt am Rande zu sitzen, wollen Kreative wie Designer Mdingi, Sängerin Mahola, Unternehmer Rhodes und Künstlerin Petersen die Debatte mitlenken – und so ihren Teil zur Zukunft am Kap der guten Hoffnung beitragen.